Annelies & Yohannes
Yohannes und ich haben uns durch einen puren Zufall kennengelernt: Er und meine Schwester nehmen ihr Feierabendbier gerne in derselben Berner Beiz. Yohannes hatte meiner Schwester bereits mehrfach von den diversen Projekten erzählt, an denen er arbeitet, und an diesem Mittwochabend im Oktober 2013 suchte er nach jemandem, der ein Projektkonzept aus dem Englischen ins Deutsche übersetzen könnte. Da ich ein paar Tage zuvor mit dem Aufbau meines Schreibservices OffKorr.ch GmbH begonnen hatte, riefen mich die Beiden kurzerhand an, und Yohannes und ich verabredeten uns zu einem ersten, folgenreichen Treffen...
Als ich die OffKorr.ch GmbH gründete, hatte ich von Beginn an den Fokus auf Migranten und Migrantinnen gelegt. Aus dem direkten Kontakt und der Erfahrung aus zwei bikulturellen Ehen wusste ich, wie schwierig es besonders Menschen nichtdeutscher Muttersprache haben, sich im hiesigen Bürokratiedschungel zurecht zu finden. Hier wollte ich gezielt Unterstützung und Begleitung anbieten. Mir war jedoch auch klar, dass ich, wollte ich in die div. Communities hineingelangen und dort das Vertrauen gewinnen, auf Schlüsselpersonen angewiesen sein würde. Yohannes entpuppte sich als genau das, wonach ich gesucht hatte. Als Flüchtling Anfang der 90er Jahre in die Schweiz eingereist, kennt er mittlerweile das Schweizer System so gut, dass viele seiner Landsleute ihn immer wieder um Rat und Unterstützung angehen. Yohannes hat sich auf eigene Initiative weitergebildet, sodass er mittlerweile als interkultureller Übersetzer für div. NPOs arbeitet.
Wir Beide ergänzen uns perfekt: Während Yohannes das Vertrauen der Mitglieder seiner Community geniesst und mit Übersetzungen für eine reibungslose Verständigung zwischen mir und den Kunden sorgen kann, bringe ich mit meiner kaufmännischen Ausbildung und guten Deutschkenntnissen das nötige Rüstzeug für eine gelungene Kommunikation mit den Behörden mit.
Schnell stellte sich heraus, dass der Grossteil unserer Kunden nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um unsere Dienstleistungen angemessen zu entlohnen. Yohannes und mir war es aber wichtig, diese Menschen trotzdem unterstützen und begleiten zu können. So leisteten wir viele Stunden ehrenamtliche Arbeit, indem wir Asylanträge verfassten, Anfragen ans Bundesamt für Migration schrieben oder gemeinsam an Yohannes' diversen Projektkonzepten feilten. Yohannes betrachtete mich von Anfang an als Mensch mit Ressourcen und Potential. Mit meiner Blindheit ging er stets unbefangen um, und wir fanden so mit der Zeit eine Arbeitsweise, die uns Beiden erlaubte, unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten voll auszuschöpfen.
Daneben führten wir eine Menge interessanter Diskussionen, wobei wir sicherlich Beide viel über die Kultur des Anderen lernen konnten. Die hierfür notwendige Portion Humor war dabei stets mit von der Partie. Mittlerweile ist OffKorr.ch gewachsen, und auch Yohannes kann mit seinen Projektkonzepten erste Erfolge verbuchen. Damit wir unsere Dienstleistungen aber weiterhin anbieten können, wollen wir nun einen Verein gründen. Unser Arbeitsmodell wollen wir ausdehnen, indem wir bald auch Schlüsselpersonen aus anderen Communities involvieren werden.
Annelies über Yohannes:
«Yohannes ist für mich ein Beispiel für gelungene Integration. Er hat sich eigeninitiativ weitergebildet und hat so im Schweizer Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem den Durchblick. Dabei hat er seine eigene Community nie aus den Augen verloren. Er hat sich stets für das Wohl derjenigen eingesetzt, die nach ihm gekommen sind und noch Orientierungshilfe benötigten. Mit seiner Tatkraft und mit seinem Humor ist er ein äusserst angenehmer Teampartner, mit dem man sich zur Not auch mal richtig schön ‚streiten‘ kann.»
Yohannes über Annelies:
«Annelies ist eine sehr hilfsbereite Person, die ihre vielen Kompetenzen gerne anderen zur Verfügung stellt. Sie sagt offen, was sie denkt, und sie besitzt die Neugierde, immer nachzufragen. Ausserdem sieht sie, was ich nicht sehe.»